Arbeitszeugnis: Ausstellungsdatum vs. Austrittsdatum

Darf das Arbeitszeugnis auf das Austrittsdatum datiert werden – oder muss das tatsächliche Ausstellungsdatum stehen? Die neue Rechtsprechung schafft Klarheit: Ein Urteil des LAG Köln vom 5. Dezember 2024 (Az. 6 SLa 25/24) stellt fest, dass Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet sind, das Zeugnis auf das Austrittsdatum zurückzudatieren. Vielmehr ist das tatsächliche Ausstellungsdatum anzugeben. Für HR bedeutet das: Prozesse, Vorlagen und Kommunikation sollten angepasst werden, um rechtssicher, effizient und kandidatenfreundlich zu agieren.
Kurz zusammengefasst
- Das Ausstellungsdatum im Arbeitszeugnis muss das tatsächliche Erstellungsdatum widerspiegeln (LAG Köln, 12/2024).
- Rückdatierung ist grundsätzlich unzulässig; nur ausnahmsweise bei ausdrücklicher Vereinbarung beider Parteien.
- Verzögerungen von 4–8 Wochen zwischen Austritt und Ausstellung sind üblich und unproblematisch.
- Der Anspruch auf ein (einfaches oder qualifiziertes) Arbeitszeugnis wird fällig, sobald die Art des Zeugnisses gewählt ist.
- Für HR empfiehlt sich: klare Prozesse, saubere Dokumentation, transparente Kommunikation.
- LSI/Long-Tail: „Zeugnisdatum abweichend vom Austrittsdatum“, „Rückdatierung Arbeitszeugnis rechtlich zulässig?“.
Inhaltsverzeichnis
- Was bedeutet die neue Rechtsprechung?
- Auswirkungen für HR und Führungskräfte
- Praxis: Zeugnisdatum rechtssicher umsetzen
- Digitale Unterstützung: Automatisiert und compliant
- FAQ: Häufige Fragen zum Zeugnisdatum
- Fazit
Was bedeutet die neue Rechtsprechung?
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Dezember 2024 (Az. 6 SLa 25/24) präzisiert die bisherige Praxis rund um das Zeugnisdatum. Kernaussage: Ein Arbeitszeugnis ist mit dem tatsächlichen Ausstellungsdatum zu versehen – nicht mit dem Datum des Ausscheidens. Eine Rückdatierung ist rechtlich nicht geschuldet und in der Regel unzulässig. Zulässig kann sie nur sein, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies ausdrücklich vereinbaren und keine Irreführungsgefahr besteht.
Das Gericht stellte außerdem klar, dass ein Zeitraum von vier bis acht Wochen zwischen Ausscheiden und Ausstellung branchenüblich ist. Solche Verzögerungen sind häufig auf Urlaube, Krankheitszeiten, interne Freigaben oder organisatorische Abläufe zurückzuführen und führen nicht zu negativen Rückschlüssen bei künftigen Arbeitgebern.
Wichtig für die Anspruchsentstehung: Der Anspruch auf Ausstellung des Zeugnisses wird fällig, sobald der Arbeitnehmer seine Wahl zwischen einfachem und qualifiziertem Zeugnis getroffen hat. Erst dann beginnt die Pflicht zur Erstellung – und damit der organisatorische „Countdown“ in HR.
Rechtlicher Kontext: § 109 GewO verlangt ein „wahres und wohlwollendes“ Zeugnis. Die Prinzipien der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit sprechen dafür, das tatsächliche Ausstellungsdatum zu dokumentieren, da es den realen Erstellungszeitpunkt abbildet und Missverständnisse vermeidet.
Weiterführende Quellen:
- LAG Köln zusammengefasst beim VDD: https://www.vdd.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/artikel/wichtiges-urteil-zum-arbeitszeugnisdatum/
- Einordnung der Praxisfristen (4–8 Wochen) bei WEKA: https://www.weka.de/unternehmensfuehrung/zeugnisdatum-kann-von-austrittsdatum-abweichen/
- Zur Rückdatierung nur bei ausdrücklicher Vereinbarung: https://www.fuchsrichterakademie.de/betrieb/recht/rueckdatierung-des-arbeitszeugnisses
- Gesetzliche Grundlage § 109 GewO: https://www.gesetze-im-internet.de/gewo/__109.html
Auswirkungen für HR und Führungskräfte
Für HR-Manager und Führungskräfte bringt das Urteil Sicherheit, verlangt aber klare Prozesse:
- Compliance und Konsistenz: Das Ausstellungsdatum muss korrekt sein und sollte intern mit Freigabe- und Signaturdatum übereinstimmen. Widersprüche (z. B. digitale Signatur nach dem angegebenen Datum) sind zu vermeiden.
- Erwartungsmanagement: Beschäftigte sind häufig unsicher, ob ein späteres Ausstellungsdatum „schlecht aussieht“. Die Rechtsprechung stellt klar: Übliche Verzögerungen sind unkritisch – das kann und sollte transparent kommuniziert werden.
- Prozessschnittstellen: Offboarding, Datenerhebung (Beurbeitungszeitraum, Austrittsdatum, Vorgesetztenfeedback), Review und Signatur gehören in eine durchgängige Pipeline. Damit beugen Sie Ad-hoc-Rückdatierungswünschen vor und halten Standards ein.
Vertiefend zu rechtssicherer Formulierung und Risikominimierung finden Sie Hinweise in unserem Beitrag zu Compliance im Arbeitszeugnis: /wissen/compliance-arbeitszeugnis
Praxis: Zeugnisdatum rechtssicher umsetzen
So gestalten Sie Ihre Abläufe effizient, rechtssicher und kandidatenfreundlich:
- Standardisieren Sie die Timeline
- Startpunkt definieren: Anspruch wird fällig, sobald der Mitarbeitende „einfach“ oder „qualifiziert“ wählt. Erheben Sie diese Wahl frühzeitig im Offboarding.
- Zielkorridor festlegen: 10–20 Arbeitstage für Entwurf, Review und Signatur sind praxistauglich. Kommunizieren Sie diesen Rahmen an Mitarbeitende und Führungskräfte.
- Pufferzeiten einplanen: Urlaube, Jahresendgeschäft, Abschlussprüfungen – berücksichtigen Sie saisonale Peaks.
- Trennen Sie sauber: Austrittsdatum vs. Ausstellungsdatum
- In Vorlagen sollten beide Felder vorhanden sein: „Beschäftigt vom … bis …“ sowie „Ausgestellt am …“.
- Das Ausstellungsdatum wird am Tag der finalen Unterschrift generiert – nicht rückwirkend.
- Dokumentieren und auditieren
- Versionierung: Entwurfs- und Freigabestände mit Zeitstempeln archivieren.
- Signaturkonsistenz: Das Unterschriftsdatum muss zum Ausstellungsdatum passen (bei digitaler Signatur automatisch).
- Audit-Trail: Wer hat wann freigegeben? Das hilft bei Rückfragen und internen Audits.
- Mitarbeiterkommunikation
- Proaktiv informieren, dass 4–8 Wochen Verzögerung normal sind und keine negativen Signale aussenden.
- Bei Rückdatierungswunsch höflich auf die Rechtslage verweisen und ggf. Alternativen anbieten (z. B. Zwischenzeugnis vor Austritt).
- Umgang mit Rückdatierungsanfragen
- Grundsatz: Ablehnen – es sei denn, es gibt eine ausdrückliche, rechtssichere Vereinbarung ohne Irreführungsrisiko.
- Prüfen Sie, ob die Rückdatierung im Einzelfall Transparenzanforderungen verletzt (Zeugniswahrheit/-klarheit) oder mit digitalen Zeitstempeln kollidiert.
- Vorlagenpflege und Schulung
- Aktualisieren Sie Textbausteine und Handbücher, damit sie die neue Rechtsprechung reflektieren.
- Schulen Sie Führungskräfte, damit Feedback rechtzeitig vorliegt und keine „Hauruck“-Rückdatierungen erbeten werden.
Tipp: Verankern Sie das Thema im Offboarding-Playbook, damit Verantwortlichkeiten und Fristen klar sind: /wissen/offboarding
Digitale Unterstützung: Automatisiert und compliant
Moderne HR-Workflows reduzieren Fehlerquellen und beschleunigen die Zeugnis-Erstellung:
- Automatisierte Datumsermittlung: Das Ausstellungsdatum wird beim finalen Signaturschritt gesetzt – konsistent, prüfbar, manipulationssicher.
- Integration in HR-Systeme: Durch Anbindung an Personio oder SAP SuccessFactors lassen sich Austrittsdaten, Beschäftigungszeiträume und Vorgesetzten-Feedback automatisch übernehmen.
- Governance & Freigaben: Rollenbasierte Freigaben, Kommentarfunktionen und Audit-Trails sichern Qualität und Compliance.
Unser Tool, der verlingo Zeugnisgenerator, unterstützt Sie bei der standardisierten, rechtssicheren Erstellung und Dokumentation – inklusive Integrationen in bestehende HR-Systeme: /products/zeugnisgenerator
FAQ: Häufige Fragen zum Zeugnisdatum
- Muss das Ausstellungsdatum dem Austrittsdatum entsprechen? Nein. Laut LAG Köln muss das tatsächliche Ausstellungsdatum verwendet werden.
- Ist eine Rückdatierung des Arbeitszeugnisses erlaubt? Grundsätzlich nein. Nur bei ausdrücklicher Vereinbarung beider Parteien und ohne Irreführungsgefahr. Vorsicht bei digitalen Signaturen und Audit-Trails.
- Was, wenn das Zeugnis erst nach mehreren Monaten erstellt wird? Auch längere Verzögerungen sind nicht automatisch negativ. Wichtig sind Transparenz, saubere Dokumentation und ein plausibler Prozess. Bei außergewöhnlichen Verzögerungen ist eine kurze Erklärung an den Mitarbeitenden sinnvoll.
- Ab wann ist der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis fällig? Sobald der Mitarbeitende zwischen einfachem und qualifiziertem Zeugnis gewählt hat. Danach sollte HR den Erstellungsprozess zügig starten.
- Sollte ich ein Zwischenzeugnis ausstellen, um Wartezeiten zu überbrücken? Ja, insbesondere bei langen Kündigungsfristen, internen Wechseln oder Vorgesetztenwechsel kann ein Zwischenzeugnis sinnvoll sein. Es ersetzt aber nicht das Endzeugnis.
- Sendet ein späteres Ausstellungsdatum ein negatives Signal an künftige Arbeitgeber? Nach der Rechtsprechung nicht. Übliche Verzögerungen von 4–8 Wochen gelten als normal und werden nicht negativ bewertet.
Fazit
Die neue Rechtsprechung sorgt für klare Leitplanken: Das Ausstellungsdatum im Arbeitszeugnis muss dem tatsächlichen Erstellungszeitpunkt entsprechen; Rückdatierungen sind die Ausnahme und nur mit ausdrücklicher Vereinbarung denkbar. Für HR bedeutet das: Prozesse stabilisieren, Vorlagen anpassen, Kommunikation professionalisieren – und digitale Unterstützung nutzen, um Compliance, Geschwindigkeit und Candidate Experience zu vereinen.
Wer diese Best Practices verankert, reduziert Rückfragen, vermeidet rechtliche Fallstricke und stärkt das Vertrauen in die eigenen HR-Prozesse – vom Offboarding bis zur Zeugnisübergabe. Weitere praxisnahe Hinweise zur rechtssicheren Formulierung finden Sie hier: /wissen/compliance-arbeitszeugnis
Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt diese nicht. Wenden Sie sich bei Einzelfällen an entsprechende Anwälte oder Ihre Rechtsabteilung.


